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FIT FOR 55 PAKET

Der EU-Plan für den grünen Wandel

Am 14.7.2021 veröffentlichte die Europäische Kommission das EU-Klimaschutzpaket Fit for 55-Paket (FF55). Dabei handelte es sich um das bislang größte Legislativpaket in der Geschichte der EU mit dem Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen der EU bis zum Jahr 2030 um 55% gegenüber 1990 zu senken. Dementsprechend groß sind die Veränderungen, die das Gesetzespaket, vor allem für die Wirtschaft, mit sich bringt. Das Paket enthält 13 Legislativvorschläge und umfasst neben Überarbeitungen bereits bestehender Gesetzestexte auch fünf neue Gesetze. Viele davon sind für die energieintensive Stein- und keramische Industrie von großer Bedeutung.

NEUES GASMARKTDESIGN UND GEBÄUDEEFFIZIENZ-RICHTLINIE
Im zweiten Teil des FF55 wurde eine Ergänzung zur Taxonomie bezüglich Nuklear und Erdgas, der Vorschlag für das neue Gasmarktdesign und die Überarbeitung der Gebäudeeffizienz- Richtlinie (EPBD) präsentiert. Weitere neue Regelungen betrafen einen Vorschlag zur Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) und ein Zertifizierungssystem für Kohlenstoffabscheidungstechnologien (Carbon Removals Certification Framework).

DIE EU REFORMIERT DEN EMISSIONSHANDEL
Um das Ziel der Europäischen Union, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, zu erreichen, ist einer der Schlüsselmechanismen das sogenannte Emissions Trading System (ETS), ein Markt für CO2-Emissionen. Das EU Emissionshandelssystem ist damit das Herzstück der europäischen Klimapolitik und der Schlüssel für die Klimaneutralität der EU. Es setzt einen Preis für Treibhausgasemissionen fest und führt so zu deutlich niedrigeren EU-Emissionen. Die Industrie erhält einen Anreiz, ihre Emissionen zu verringern und in klimafreundliche Technologien zu investieren. So müssen bis 2030 die Emissionen in den ETS-Sektoren gegenüber 2005 um 62% gesenkt werden. Um diese Verringerung zu erreichen, wird die EU-weite Menge an Zertifikaten einmalig um 90 Mio. t CO2-Äquivalente im Jahr 2024 und 27 Mio. t im Jahr 2026 verringert. Zusätzlich werden zwischen 2024 und 2027 jährlich 4,3% und von 2028 bis 2030 4,4% weniger Zertifikate vergeben.

VERKNÜPFUNG DER GRATISZUTEILUNG MIT AUFLAGEN AUS DER ENERGIEEFFIZIENZ-RICHTLINIE
Das Energieeffizienzziel der neuen EU-Richtlinie besagt, dass der Energieverbrauch bis 2030 um mindestens 32,5% (gegenüber 2007) gesenkt werden soll, wobei diese Zielvorgabe für die EU-Mitgliedsstaaten unverbindlich ist. Die Konditionalität besagt, dass die Gratiszuteilung um 20% reduziert wird, wenn Anlagen einer Energieaudit-Verpflichtung unterliegen oder ein Energiemanagement implementieren müssen, sowie wenn die Audit Vorschläge nicht umgesetzt werden. Davon gibt es eine Ausnahme, wenn die Amortisierungszeit länger als drei Jahre beträgt oder das Investment unangemessen hoch wäre. Weiters kommt es zu einer 20%igen Reduktion, wenn ein Anlagenbetreiber, dessen Emissionen verglichen mit dem Produktbenchmark besonders
hoch sind, keinen Klimaneutralitätsplan „climate neutrality plan“ erstellt hat. Stichtag ist hierbei der 1. Mai 2024.

ETS II FÜR GEBÄUDE UND VERKEHR STARTET 2027
Ein zweiter neuer Emissionshandel (ETS II) für CO2-Emissionen im Straßenverkehr und von Gebäuden wird bis 2027 eingeführt. Dabei werden auch fossile Brennstoffe für andere Sektoren wie das verarbeitende Gewerbe einbezogen. Sollten Energiepreise außergewöhnlich hoch sein, kann das ETS II bis 2028 verschoben werden, um die Bürger vor zu hohen Kosten zu schützen.

CO2-GRENZAUSGLEICHSMECHANISMUS (CBAM)
Als Teil des FF55-Pakets hat der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) das Ziel, den Klimawandel zu bekämpfen und die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Nicht-EU-Ausland zu verhindern. So soll CBAM den CO2-Preis importierter Waren und Strom an den Preisf ür CO2-Zertifkate angleichen, die europäische Firmen für ihre Produkte im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) erwerben müssen. In der Pilotphase starten die bisher fünf vorgeschlagenen Sektoren – darunter auch Zement – inklusive einiger Vorläuferprodukte. Für weitere Sektoren ist ein detailliertes Impact Assessment notwendig, wenn diese in Zukunft in den CBAM aufgenommen werden sollen. Die Pilotphase für Importeure beginnt
schon im Oktober 2023. Die Müllverbrennung ist ab 2024 berichtspflichtig und wird 2027 in den CBAM aufgenommen.

ERNEUERBARE-ENERGIEN-RICHTLINIE (RED II) UND DIE ENERGIEEFFIZIENZ-RICHTLINIE (EED)
Weitere Elemente des FF55-Pakets sind die Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie sowie eine Neufassung der Energieeffizienz-Richtlinie, die der EU helfen wird, das neue Treibhausgas (THG)-Ziel von 55% zu erreichen. Nach der derzeit
geltenden Gesetzgebung ist die EU verpflichtet, bis 2030 mindestens 32% ihres Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Neben der Sicherstellung des Beitrags der Energieeffizienz zum 2030-Treibhausgas-Reduktionsziel zählt die Behebung von Defiziten bei der Erreichung des Energieeffizienzziels für 2030 zu den Zielen der Europäischen Kommission. Die Erhöhung der Energieeffizienz-Zielvorgabe von derzeit -32,5% bis 2030 auf -40% Energieverbrauch ist beschlossene Sache und aufgrund der geopolitischen Situation seit Februar 2022 umso dringlicher umzusetzen.

ENERGIESTEUERRICHTLINIE (ETD)
Seit Jahren ringen die Mitgliedsstaaten der EU um einen Kompromiss bei der Energiebesteuerung, der für alle Staaten akzeptabel ist. Ziel wäre die Modernisierung der Besteuerung von fossilen Energieträgern und die Incentivierung der Nutzung erneuerbarer Energie. Geld wird jedenfalls für den Ausbau der Netze und Infrastruktur dringend benötigt. Investition in unsere nachhaltige Zukunft ist sicher keine schlechte Vorgehensweise. Derzeit scheitert dieses Projekt jedoch an der Anforderung, den Beschluss einstimmig fassen zu müssen.