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European Green Deal

Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission (KOM), Ursula VON DER LEYEN, hat in ihren politischen Leitlinien 2019-2024 einen European Green Deal (EGD) angekündigt, der schon das Markenzeichen der EU ist. Das umfangreiche Wachstumsprogramm, das erstmals Klimaschutz, Ökologie und Ökonomie zusammenspannt, enthält in einem ganzheitlichen Ansatz einige sehr interessante, industrierelevante Aspekte:

  • Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen: in den ersten 100 Tagen der neuen KOM soll ein europäisches Klimagesetz zur Verankerung des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 vorgelegt werden. 
  • Dekarbonisierung des Energiesystems: dies soll durch Steigerung der Energieeffizienz, Förderung von Erneuerbaren Energieträgern, intelligente Sektorintegration und Anstrengungen im Gebäudesektor und bei der Dekarbonisierung des Gas-Sektors erreicht werden.
  • Green Finance und ein Just Transition Mechanism stellen unter anderem EUR 1 Billion in 10 Jahren zur Unterstützung besonders betroffener kohle- und energieintensiver Regionen bereit.
  • Eine innovative EU-Industriestrategie mit Fokus auf die Dekarbonisierung der energieintensiveren Sektoren wie Zement, Stahl und Chemie soll zur Stärkung beitragen.

Nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen sind jedoch positiv zu bewerten. Bis 2021 soll ein Plan zur Erhöhung des 2030-CO2 Reduktionsziels von 40% auf 55% vorgelegt werden, der alle klima- und energierelevanten Richtlinien der EU betreffen wird. Obwohl erst 2020 das neue Emissionshandelssystem (ETS) auf Schiene gebracht wurde, ist davon auszugehen, dass sowohl die Zielverschärfung als auch die Geschwindigkeit der Zielerreichung die Industrie belasten wird. Gleichzeitig wird die Erweiterung des ETS auf Seeverkehr und Gebäudesektor das System nicht übersichtlicher machen.

Zu heftigen Diskussionen führte bereits 2019 die Idee der schrittweisen Einführung einer CO2-Grenzsteuer (Carbon Boarder Adjustment Measures – CBAM) in einzelnen ausgewählten Sektoren. Diese Idee nimmt im EGD konkrete Gestalt an und soll Mitte 2021 in einen Gesetzesvorschlag gegossen werden. Seit Jahren liebäugeln einzelne Mitgliedsstaaten wie Frankreich und einzelne Branche wie die Zementindustrie mit der Möglichkeit einer Besteuerung des CO2 Gehalts von Importen, um Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Die KOM sieht darin eine Chance handels- und emissionsintensive Branchen aus dem ETS herauszulösen und trotzdem vor Carbon Leakage zu schützen. Dieser Ansatz stößt aber selbst in der Zementindustrie auf Widerstand, da diese Maßnahme immer als zusätzlicher Schutz zur Gratiszuteilung im ETS gesehen wurde, jedoch nicht als Alternative dazu.

Im Rahmen des European Green Deal (EGD) hat sich die Europäische Kommission (KOM) 2021 für stärkere Klimaschutzmaßnahmen ausgesprochen und möchte das Treibhausgas (THG)-Reduktionsziel um mindestens 55% reduzieren. Zur Erreichung dieses Ziels wird auch überprüft, wie das durch eine Überarbeitung der ETS-Richtlinie, Effort Sharing Regulation (ESR), der Richtlinie zur Landnutzung und Landnutzungsänderung (LULUCF), der Erneuerbaren-Richtlinie (RED) und Energieeffizienz-Richtlinie (EED) gelingen kann.

  • Roadmap EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS):

Das allgemeine Ziel dieser Initiative besteht darin, die EU-ETS-Richtlinie zu überarbeiten, um sie mit den Klimazielen bis 2030 und dem langfristigen Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in Einklang zu bringen. Überarbeitung des Linearen Reduktionsfaktors, der Marktstabilitätsreserve sowie der RL per se werden angekündigt.

  • Verordnung über die Lastenteilung (Effort Sharing Regulation – ESR):

Die ESR regelt die Emissionsminderungen durch Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 in den jeweiligen Mitgliedsstaaten. Der Fokus liegt auf der Herauslösung einzelner Sektoren und deren Überführung in den EU-ETS oder einem separaten ETS, die Ausgestaltung der neuen Ziele und mögliche Flexibilisierungen. Die Anstrengungen der Mitgliedstaaten sollen fair und konsequent aufgeteilt und die Kohärenz mit den einschlägigen Rechtsvorschriften gewahrt werden. Die Verordnung legt nationale Emissionsreduktionsziele fest, die für 2030 zwischen 0% und -40% im Vergleich zu 2005 variieren (-36% für AT).

  • Verordnung über die Landnutzung (LULUCF):

Die Verordnung über die Landnutzung (LULUCF) schlägt Optionen zur Änderung der LULUCF vor, wobei die parallelen Überprüfungen von EU-ETS, ESR und RED II berücksichtigt werden sollen. Von Seiten des FV bleibt die grundsätzliche Aussage aufrecht, dass der Wald als Senke erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden muss. Die Entnahme von Holz ist nicht die klimaschonendste Lösung.

  • Erneuerbaren-Richtlinie (RED)

In der Konsultation wird deutlich, dass die KOM vor allem eine Anhebung des aktuellen Ausbauziels für die EU anstrebt. Bislang hat sich die EU das Ziel gesetzt, den Anteil Erneuerbarer Energien (EE) am Endenergieverbrauch auf 32% zu steigern. In der Folgenabschätzung zur Anhebung des 2030-Ziels kommt die Kommission zum Schluss, dass dieser Anteil auf bis zu 38% gesteigert werden müsste.

Zusätzlich erfragt die Kommission auch Meinungen zur Anpassung der Erneuerbaren-Ziele für den Verkehrsbereich und die Wärme- und Kälteenergie. Schließlich widmet sich die Konsultation den Barrieren für den Erneuerbaren-Stromeinsatz und Maßnahmen zu deren Behebung in den verschiedenen Verbrauchssektoren (Strom, Verkehr, Industrie, Wärme und Kälte, Fernwärme und Fernkälte). Erwähnt wird eine mögliche Pflicht für den Einsatz Erneuerbarer Energien in der Industrie.

  • Energieeffizienz (EED)

Neben der Sicherstellung des Beitrags der Energieeffizienz zum 2030-THG-Reduktionsziel, zählt die Behebung von Defiziten bei der Erreichung des Energieeffizienzziels für 2030 zu den Zielen der KOM. Außerdem sollen Hemmnissen für Energieeffizienz in allen Wirtschaftssektoren identifiziert und ggf. regulatorische Hürden abgebaut werden.

Eine Erhöhung der Energieeffizienz-Zielvorgabe, von derzeit -32,5% bis 2030 auf -36%-37% Endenergieverbrauch bzw. -39%-41% Primärenergieverbrauch, wie in der Folgenabschätzung zur Anhebung des 2030-Ziels (Climate Target Plan) angekündigt, wird in Betracht gezogen.