Der EU-Umweltrat hat am 17.6.2024 den Trilog-Kompromiss (Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission) mit hauchdünner qualifizierter Mehrheit angenommen. Somit tritt die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur demnächst in Kraft.
Laut EU-Kommission sind 80% der Schutzgüter (gemäß der Definition der EU FFH- und Vogelschutz-RL = Natura 2000) in keinem guten Zustand. Da die Verordnung für das gesamte Territorium der EU gilt, müssen beträchtliche Flächen Österreichs künftig grundlegend „saniert“ werden, da diese Schutzgüter auch außerhalb bestehender Natura 2000-Flächen angesiedelt sind.
Die Finanzierung kann über bestehende EU-Töpfe wie LIFE, Ländliche Entwicklung oder die Aufbau- und Resilienzfazilität kofinanziert werden. Die Hauptlast tragen aber die Bundesländer.
Die Verordnung trifft keine Aussagen über Zwangsmaßnahmen. Reichen freiwillige Maßnahmen nicht aus, muss der Staat aber drastischere Mittel wie Enteignungen oder verordnete Maßnahmen wohl in Kauf nehmen, um nicht verklagt zu werden.
Welche allgemeinen Ziele legt die Verordnung u.a. fest?
Ziel der EU-Renaturierungs-VO ist insbesondere die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung bzw. Erholung von Ökosystemen, aber auch die Verbesserung der Ernährungssicherheit in den EU-Mitgliedstaaten. Zu diesen Zwecken sollen Flächen, die sich in „keinem guten Zustand“ befinden, bis 2050 in einen „guten Zustand“ versetzt werden.
Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis 2030 mindestens 30%, bis 2040 60% und bis 2050 90% aller Lebensräume in schlechtem Zustand wiederherzustellen. Als gemeinsames Unionsziel sind bis 2030 mindestens 20% der Landflächen und bis 2050 alle Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen, abzudecken. Bis 2030 hat dies prioritär in bestehenden Natura-2000-Gebieten (EU-FFH-RL 1992 und Vogelschutz-RL 1979) zu geschehen, danach aber auf allen relevanten Flächen eines Staatsgebiets.
Ist der gute Zustand wiederhergestellt, gilt das Verschlechterungsverbot, welches natürlich Auswirkungen auf Bewirtschaftungsformen oder Handlungen mit Bezug zu den Schutzgütern hat.
Ob und welche Flächen sich in „keinem guten Zustand“ befinden und welche Wiederherstellungsmaßnahmen notwendig sind, um solche Flächen in einen „guten Zustand“ zu überführen, wird in der Verordnung in Bezug auf einzelne Lebensräume und Ökosysteme definiert, wie beispielsweise für Land-, Küsten und Süßwassersysteme, städtische Ökosysteme, Flüsse und damit verbundene Auen, Bestäuberpopulationen oder landwirtschaftliche Ökosysteme.
Die Verordnung enthält diesbezüglich auch Ausnahmetatbestände, die es ermöglichen, gewisse Flächen die grundsätzlich in „keinem guten Zustand“ wären, von der Wiederherstellungspflicht auszunehmen. Beispielsweise wird Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen Vorrang gegenüber Wiederherstellungsmaßnahmen eingeräumt.
Kernelement des Wiederherstellungsprozesses ist die Aufstellung eines nationalen Wiederherstellungsplans, in dem die konkreten wiederherzustellenden Flächen sowie die relevanten Wiederherstellungsmaßnahmen anhand der in der Verordnung geregelten Vorgaben von den Mitgliedstaaten bis 2025 festgelegt werden sollen. Dieser muss vor seiner Umsetzung von der EU-Kommission überprüft und freigegeben werden.
Welche Auswirkungen hat die Verordnung möglicherweise für heimische Standorte?
In Bezug auf Projektverwirklichungen wird es auf den wiederherzustellenden Flächen in Natura-2000-Gebieten weiterhin eine Naturverträglichkeitsprüfung brauchen. Außerhalb von Natura-2000-Gebieten muss im Falle einer „Verschlechterung“ ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben sein und darf keine weniger schädliche Alternative zur Verfügung stehen, wobei für Projekte zur Erzeugung von erneuerbarer Energie eine vereinfachte Prüfung vorgesehen ist: Die Verordnung schreibt diesen Projekten ein überragendes öffentliches Interesse zu und ermächtigt die Mitgliedstaaten, von der Alternativenprüfung sogar gänzlich abzusehen, sofern das Projekt einer SUP oder UVP unterzogen wurde.
Rohstoffgewinnung: Auch der Abbau mineralischer Rohstoffe kann von der Renaturierung betroffen sein, wenn die Anzahl jener Flächen steigt, die einem speziellen Schutz oder einem Verschlechterungsverbot unterworfen sind. In der Abwägung zwischen der Forcierung von Rohstoffabbau (Erhöhung der EU-Eigenversorgung; Aufbau und Ausbau der Erneuerbaren-Energie-Infrastruktur) und Naturschutz/Biodiversitätszielen/Renaturierungserfordernissen geraten wirtschaftliche Argumente stärker ins Hintertreffen.